Stadtdurchfahrt auf der Spree am 18. Mai 2019
An so ganz gewöhnlichen Rudertagen bewegen sich unsere Ruderstrecken ja zwischen der Insel Imchen in Kladow bei guten Wetter und der Charlottenburger Schleuse, wenn das Wasser unruhig oder es winterlich ist.
Was also war am 18. Mai anders als an ganz „normalen“ Wochenenden?
Der Landesruderverband Berlin und der Landes-Kanu-Verband Berlin hatten zur Stadtdurchfahrt auf der Spree eingeladen. Der ansonsten für manuelle Wassersportler (also Ruderer und Kanuten) gesperrte Bereich zwischen Lessingbrücke in Moabit und Oberbaumbrücke in Treptow war an diesem Tag einschließlich der Mühlendamm Schleuse von 9:00 – 14:00 Uhr für uns befahrbar. Die übrige Schifffahrt war gleichzeitig während dieser Zeit vom Innenstadtbereich der Spree ausgeschlossen. Also warb unser Lutz auf allen Wegen für diese außergewöhnliche Strecke. Schließlich fanden sich acht Ruderinnen und Ruderer, die Berlin von der Wasserseite aus erkunden wollten.

9:00 Uhr ruderfertig war die klare Ansage, die dann auch so von allen umgesetzt wurde. Wenngleich ein gesundheitsbedingter Ausfall zu beklagen war, so konnten dennoch mit unserer „Werder“ und der „Imchen“ zwei Boote aufs Wasser gehen. Eine Bedingung für die Genehmigung der Stadtdurchfahrt war, dass ausschließlich mit gesteuerten Booten gefahren werden durfte.
Schon im Vorfeld hatten wir intern festgelegt, dass von uns nur bis zur Mühlendamm Schleuse im Unterwasser der Spree gerudert werden sollte. Wir hatten keine Lust auf endlose Wartezeiten vor den Schleusen.
Einzig die Charlottenburger Schleuse war also berg- und nachmittags wieder talwärts zu nehmen. Für einige Heiterkeit und Gespräche über in der Vergangenheit Erlebtes sorgte dann noch die strenge Ermahnung der Wasserschutzpolizei im Vorfeld per E-Mail, dass sowohl „Schiffsführer als auch die Person, die vorübergehend selbständig Kurs und Geschwindigkeit des Fahrzeugs bestimmt“ (Zitat), Alkohol nur in geringen Mengen konsumieren dürfen. Also wie nun, als wenn jemals ein Ruderer oder eine Ruderin Alkohol zu sich genommen hätte! Wohl doch nur als Medizin, oder sind hier im Verein andere Fälle bekannt?

Die Fahrt bis zur Charlottenburger Schleuse verlief dann zügig, einzig ein langer Schubverband auf der Havel und dann auch der Spree bereitete uns unruhiges Wasser und die Sorge, er würde ebenfalls die Schleuse passieren wollen. Die letzte Spreekurve in Fürstenbrunn genommen erblickten wir die Schleusenkammer, das Tor offen, die Kammer gut gefüllt mit Ruderbooten und … eine rote Einfahrtampel. Es half nichts, zusammen mit einigen Motorbooten und drei weiteren Ruderbooten mussten wir uns am Sportbootsteg vor der Schleuse auf eine Wartezeit einrichten. Die bange Frage war, wie lange würde diese dauern. Besagter Schubverband kam natürlich vor uns in die Kammer, inzwischen aber hatte ein weiterer Verband festgemacht und unter der Rohrdammbrücke kam schon der nächste in Sicht. Ich dachte schon nach über 1 Stunde Wartezeit an's Umdrehen, als plötzlich die Sportbootampel auf „grün“ sprang.
Ganz schnell reagierte unser Zweier, konnte seine Wendigkeit ausspielen und lief als Erster in die Schleusenkammer ein. Wir wollten nicht noch mehr Zeit verlieren und uns eine gute Ausgangsposition kurz vor der vorderen Haltelinie sichern. Auch unsere „Werder“ folgte dicht auf. Zügig ging es dann bergwärts, als Zweier lagen wir quasi schon mit eingelegtem ersten Gang vor der roten Ampel und warteten auf „grün“. Währenddessen mühte sich plötzlich die „Werder“ beim Ablegen. Was war passiert? Der Flaggenstock hatte sich ungünstig an der Spundwand beim Ablegemanöver verfangen und nun hingen sie fest, lagen quer. Schaukeln und Ruckeln der Mannschaft, ein beherzter Ruck, und das Boot war frei, ganz ohne Mastbruch!
Da die Spree noch immer verhältnismäßig wenig Wasser führt, konnten wir unseren geplanten ersten Stopp nicht wie geplant am Charlottenburger Schloss machen. Die Uferbefestigungen waren zu hoch. Hier begegneten wir auch erstmals unserem Fotografenteam, das mit dem Fahrrad unterwegs war, bestehend aus Katia sowie Gabi, der Frau von Lutz (vielen Dank schon mal an dieser Stelle für die bestimmt gelungenen Fotoimpressionen).
Schließlich legten wir dann an einem Park unweit der Sömmeringstraße (Caprivibrücke) an und konnten das Nötigste erledigen. Die Zeit war uns an der Charlottenburger Schleuse ein wenig weggelaufen, Eile war inzwischen geboten, musste doch der gesperrte Wasserabschnitt bis spätestens 14:00 Uhr wieder verlassen werden. Und bis zur Lessingbrücke, der Einfahrt in den Sperrbereich, war es noch ein gutes Stück!


Vorbei an bekannter Industriearchitektur und unter dem kunstvollen, schmiedeeisernen Siemenssteg hindurch ging es zum Spreekreuz. Hier bloß nur den richtigen Weg nehmen, ging es weiter vorbei an diversen Neubauten der letzten Jahre. Das Umfeld in Wassernähe gerade auch im früher industriell geprägten Moabit hat sich doch gewaltig verändert. Viele Dachterrassen wurden vom Wasser aus sichtbar, mit Markisen, Schirmen, kleinen Bäumen, gar einem Gewächshaus, mehr hätte man nur mittels einer Drohne erblicken können, auch in der Innenstadt gibt es kleine Wohlfühlinseln.
Spreebogen um Spreebogen nahmen wir, inzwischen kamen uns schon viele Ruderboote entgegen, wann würde die Lessingbrücke erreicht sein? Dann endlich, ein Polizeiboot mit roter Sperrflagge lag seitlich vor einer Brücke, nur Ruder- und Paddelboote durften passieren. Das Zwischenziel war erreicht. Ein Blick auf die Uhr, es war halb eins. Ca. 45 Minuten spreeaufwärts standen uns also noch zur Verfügung, mussten wir in dieser Zeit die Mühlendamm Schleuse erreicht haben. Würde die Zeit reichen, konnten wir das Ziel noch ansteuern?
Berliner Dom Museumsinsel
Kräftig zugefasst, konzentriert ging es vorbei am Schloss Bellevue, durch den Tiergarten, weiter vorüber am Biergarten „Zollpackhof“ und dem Kanzleramt. Auf unzähligen Bildern und Filmsequenzen dürften wir verewigt sein, denn es war ein warmer und trockener Tag, die Menschen waren überall auf den Beinen und den Rädern. Vor Capital-Beach, unweit des Berliner Hauptbahnhofs, war das Ufer gar so dicht von Menschen bevölkert, man wähnte sich fast auf einer Regattastrecke. Und die Uhr lief, unerbittlich. Schade, denn der Genuss kam – zumindest bei mir – in dieser Phase etwas zu kurz. Das Bode-Museum würden wir noch erreichen! Wir begannen langsam kleinere Brötchen zu backen.
Dort angekommen, fehlte uns dann noch gut ein Kilometer. So gab ich in unserem Boot die letzte Reserve frei: stromabwärts ginge es ja schließlich schneller, dazu hätten wir dann auch noch Rückenwind. Wir schaffen das! Inzwischen waren uns auch schon annähernd alle Ruderboote aus dem Oberwasser der Mühlendamm Schleuse entgegengekommen, mit den ungläubigen Blicken der Mannschaften, diese Irren (also wir) glauben doch nicht ernsthaft, dass sie jetzt noch schleusen könnten.
Und auf den Punkt genau erreichten unsere Boote den Schleusenbereich an der Mühlendamm Brücke, um gleich zu wenden und nur eine kurze Trinkpause einzulegen.
Jetzt auf dem Rückweg war die Zeit kalkulierbar, nicht zu früh und nicht zu spät an der Lessingbrücke sein war die Devise in der „Imchen“ und wir ließen die Blicke etwas entspannter schweifen. Wir waren dann definitiv die letzten Sportboote und nach uns kam nur noch ein Minimotorboot mit zwei Ordnern. So passierten wir mit beiden Booten um 13:56 Uhr das Polizeiboot mit der Sperrflagge. Die Fahrgastschiffe lagen schon in Lauerstellung, ein ungeduldiger wollte gar ganz schnell sein, aber nein, noch war die Strecke nicht freigegeben.
Ein Anlegeplätzchen im Grünen war alsbald gefunden. Leider legten beide Boote an verschiedenen Orten an, die Anforderungen an die Qualität des Ortes waren unterschiedlich, dennoch wurde jetzt entspannt gegessen und getrunken, auch ein Nickerchen wurde gehalten.

Nicht entgangen ist uns das Polizeiboot WSP 21, getauft auf den Namen „ALK“ … !?!
Etwas ermattet und tiefenentspannt ging es schließlich nach knapp einer Stunde Pause weiter in Richtung Schleuse Charlottenburg. Dort stand uns unverhofft das Glück zur Seite, das uns auf der Hinfahrt fehlte. Das Schleusenpersonal sah uns kommen und öffnete eigens für unsere beiden Boote noch einmal das schon halb geschlossene Tor am Oberwasser, die Ampel sprang auf „grün“. Wir schlupften ohne Zeitverlust in die Schleusenkammer. Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle dem uns wohlgesonnenen Personal. Gemeinsam mit einer sehr schönen stilvollen Motorjacht aus Stahl mit schmuckem Holzaufbau, geschätzt aus den 20iger oder 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts, zwei Paddelbooten und einem Segelboot mit Motor ging es talwärts und anschließend auf vertrauter Strecke zurück Richtung Heimat.

Unser Ruderwart Lutz freute sich über 39 km pro Ruderer und wir uns alle zusammen über viele neue Eindrücke aus Berlin, die wir in unser Spandau mit zurückgenommen haben. Eine willkommene Abwechslung und viel „Neuwasser“ für einige Kameradinnen und Kameraden.
Die Boote ausräumen, putzen, einlagern, eben das Übliche nach einer solchen Fahrt, noch einen Mampe auf das „Neuwasser“ nehmen und das gute Gefühl dazu, richtig etwas geleistet zu haben, schön wars!
Schade nur, dass die Gesamtveranstaltung nach meiner Wahrnehmung so ganz unspektakulär abgelaufen ist, hatte ich das doch anfangs so wahrgenommen, dass an diesem Tag auch auf die berechtigten Interessen der Wassersportler in der Berliner Innenstadt hingewiesen werden sollte. Stünden Fahrradfahren und Rudern in der Politik auf einer Stufe, gäbe es Hoffnung! So aber haben wir nur an einem Tag im Jahr für magere fünf Stunden den gewohnten Ablauf in der Berliner City auf dem Wasser beeinträchtigt.
Eine kleine Gruppe - verstärkt durch Daheimgebliebene - ließ den Tag abschließend am Grill gemütlich ausklingen.